"Trösten, die vergessene Kunst "
5.Teil : Die Krankheit

Ich hatte schon lange gemerkt, dass Ilka, die Tochter meiner Nachbarin, immer sehr blass war. Obwohl sie zwei Jahre älter war als meine Tochter, war sie inzwischen fast kleiner und sehr schmächtig und hustete viel. Aber ich hatte meine Nachbarin nie darauf angesprochen und sie selbst hatte dieses Thema bisher immer sorgsam vermieden. Nun erfuhr ich, dass Ilka eine sehr schwere Stoffwechselkrankheit hatte, für die es noch keine Heilung gab. Von den beiden älteren Brüdern war der älteste, Jan – Uli, ebenfalls betroffen. Was für ein Schicksal!

Nachdem einmal die Barriere durchbrochen war, fiel es mir immer leichter, zu spüren, wann es an der Zeit war, nachzufragen. Trotzdem war es nicht einfach, die Fragen nach dem Gesundheitszustand der Nachbarkinder so zu stellen, dass sie nicht neugierig wirkten. Es war ebenfalls nicht leicht, Mitgefühl für diese so schwere Situation der Familie auszudrücken, die nicht mehr besser werden würde, ohne ihnen zusätzlich das Herz schwer zu machen.

Hoffnung vermitteln, wo Heilung medizinisch aussichtslos ist? Das war unmöglich. Aber Vertrauen wecken, dass alles ein „gutes Ende“ nehmen würde, - und dass sie die Kraft und den Mut haben würden, ihre Kinder auf diesem Weg zu begleiten, wie auch immer er sein würde... Das konnte ich. Denn davon war ich fest überzeugt.

Und es war auch bitter nötig, denn die Angst, ob sie alle der Situation gewachsen sein würden, die da unbekannt und unsteuerbar auf sie zukam, war groß. Es war dieses Gefühl der absoluten Ohnmacht, das wir einfach alle nicht gewöhnt sind, und dem diese Menschen jetzt hilflos ausgeliefert waren.



Fortsetzung folgt!
Die Namen der beteiligten Personen wurden geändert, um ihre Identität zu schützen.